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Camões und der Sebastianismo
Wie ein Raufbold und Draufgänger, Söldner, Schürzenjäger und Veruntreuer es zum Nationalheld brachte... Nur wenige Kilometer von Lissabon entfernt brechen sich die Ozeanwellen am Cabo da Roca, einem in den Atlantik hineinragenden Felsenkap. Hier sind wir am westlichsten Punkt Europas.
Auf einer kleinen Steintafel sind die Worte des portugiesischen Nationaldichters eingemeißelt: "Hier hört das Land auf und das Meer beginnt" - ein Vers aus seinem Epos Die Lusiaden, mit dem Luis de Camões dem Entdeckermut der Portugiesen ein literarisches Denkmal setzte.
Camoes In der Geschichte dieser Seefahrer-Nation mußte das Meer notgedrungen mit der Literatur eng verbunden werden - und das Meer mit dem Schicksal der ganzen Nation.
So setzte Camões den Rittern zur See in Versen ein Denkmal, das schließlich dem kleinen Land zum Verhängnis werden sollte.
Luiz de Camões (1524 - 1580), wurde in Lissabon geboren, studierte in Coimbra. Sein Onkel, der ziemlich unbekannte Dichter Vasco Pires de Camões, war ein galizischer Nobelherr, der zur Zeit des Königs D. Fernando sich in Portugal niedergelassen hatte.
Camões der Jüngere sollte nun wesentlich bekannter werden: als Raufbold und Draufgänger, Schürzenjäger und Veruntreuer und schließlich - natürlich nach seinem Tod - als Nationalheld.

Schon als junger Mann hielt er sich am Hofe des Königs D. João III, (1521-1557) auf. Er verliebte sich in die Hofdame D. Catarina de Ataíde, widmete ihre Gedichte. Intriganten am Palast sorgten dafür, daß er den Hof bald verlassen mußte.

Er ließ sich als Södner anheuern und wurde 1547, kaum 23 Jahre alt, nach Maroko eingeschifft. Im Scharmützel von Mazagão traf ihn ein arbischer Pfeil - er verlor sein rechtes Auge.

Kaum zurück nach Lissabon, mußte er ein Jahr im Kerber büßen - die Strafe für die Messerstiche, die er einem Lakeien des Königs verpaßte. 1553 schiffte er sich erneut ein - Richtung Indien.

Im Gefängnis inspirierte ihn die Lektüren der Dekaden von João de Barros zum Projekt, Portugals Abentuer zur See in epische Verse zu gießen.

Die Kirche von S.Paulo
in der portugiesischen
Kolonie Macau

In Indien dichte Camões die ersten 6 Cantos der Lusíadas.
1553 war er in Goa angekommen, 1558 bekam er im chinesischen Handelsposten Macau den Posten des "Provedor-mor de defuntos e ausentes", - eines Verwalteres von Erbschaften. Dort dichte er an den Lusíadas, weiter. Der Vorwurf der Veruntreuung statlicher Gelder zwang ihn zurück nach Goa. Er kam nie an - sein Schiff zerbrach in einem Strum an der Küste Kambodjas. Camoes rette sich schwimmend - in einer Hand das Manuskript der Lusiaden über die Wellen haltend....

Dom Sebastiao
Der junge König D.Sebastião:
Ein notorischer
Spinner und
Träumer...
Das Epos Os Lusíadas wurde schließlich 1572 gedruckt und dem jungen König D. Sebastião gewidmet. Der pubertäre Monarch, ein notorischer Träumer und Phantast, war so angetan, daß er dem Dichter eine Jahresrente von 15.000 Réis zusprach. Mehr noch: er ließ sich vom epischen Werk so beflügeln, daß er sich entschloß, die Heldentaten seiner Vorfahren nachzuahmen.
D. Sebastião bereitete flugs eine Invasion von Nordafrika vor - auch er wollte nun den Mauren zeigen, was eine portugiesische Harke ist.
Kaum in Afrika angekommen, wurde sein Heer in der Schlacht von Alcácer-Kibir aufgerieben. Seitdem warten die Portugiesen darauf, daß der junge König an einem nebeligem Morgen wieder an Portugals Küste lande. Die bizarre Haltung des Sebastianismo ward geboren...
Das königlose Portugal fiel den Felipes von Spanien zu - von 1580 bis 1640 erlebte Portugal seine schmachvollste Zeit - als spanische Provinz.
Camões starb als unbekannter Bettler am 10 Juni 1580, nicht nur in seinem Vaterland, sondern auch mit seinem Vaterland.

Seit vierhundert Jahren hält sich der Mythos, daß Dom Sebastião eines Tages zurückkommen und sein Land erlösen wird, denn Portugal liebt seine Gespenster, vor allem, wenn sie zu nichts nutze sind. Erlösen mußten sich die Portugiesen nämlich selbst, als Portugal schon längst bitterarm und das letzte Land Europas war, das noch in diesem Jahrhundert einen traumatisierenden Kolonialkrieg in Afrika führte.
Oliveira Salazar, der Diktator, der den irrwitzigen Krieg angezettelt hatte, kam zwar durch einen zusammenbrechenden Liegestuhl zu Tode, doch sein Nachfolger Caetano fiel just über diesen Krieg - kriegsmüde Mannschaften und Offiziere schlossen sich zur "Bewegung der Streitkräfte" zusammen und stürzten die Diktatur am 25. April 1974. Eine friedliche Revolution, bei der kein Blut floß.

Was Camões in Versform festgehalten hat, haben die Baumeister seiner Zeit in Bauwerke wie die Batalha, das Hyeronimus-Kloster der Festungsturm in Belém, und das Christus-Kloster von Tomar umgesetzt: steingewordene Träume, die die Eroberung der Meere preisen.
Diese bizarre Variante der Spätgothik ist der Manuelinische Stil, benannt nach Portugals König Dom Manuel I.
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