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Portugal in 100 Objekten

Im Fatalismus entdecken wir die in Portugal typische Haltung, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie einem eben die Hände fallen...

So sehr scheint den Portugiesen das Lebensgefühl der Saudade eigen zu sein, daß es für ihre Definition keine Notwendigkeit gab. Indem sie diese besondere Art glückvoller Melancholie zum Kern ihrer Existenz und damit zu ihrem Geheimnis erklären, stricken sie weiter an einem portugiesischen Mythos.

Es ist diese Mystifikation eines universellen Gefühls, die jener Schwermut ohne wahre Tragödie ihre kulturelle Bedeutsamkeit verleiht – sei es in der Literatur Fernando Pessoas oder in den Gesängen des Fado – und aus der Saudade das Kennzeichen portugiesischer Sensibilität macht.

Lourencos philosophische und literaturwissenschaftliche Essays suchen nach einer Antwort auf die Frage, warum sich ein ganzes Volk mit Genuß zur Saudade bekennt.

Mythologie der Saudade — Zur portugiesischen Melancholie. Essays von Eduardo Lourenço. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001.

Das muß so sein...

Was ist portugiesisch ? Natürlich nicht nur der Fado und die Saudade, sondern noch eine Reihe von anderen Eigenschaften, Begriffen und Ausdrücken, die in den letzten Jahren entstanden sind. Einige davon hat Miguel Esteves Cardoso sich etwas genauer angesehen...

Am vergangenen Sonntag sagte der Kommentator des Fußballspiels Brasilien gegen Spanien, als er über die schmerzhaft langweilige erste Halbzeit sinnierte: Bisher war es ein sehr monotones Spiel, aber die Meisterschaftsspiele sind eben so, sie müssen so sein.

Der Begriff des das muß so ist ein fundamentaler Beitrag des Fußball zur portugiesischen Sprache. Ich frage mich, warum nicht auch die Literaturkritiker eine Rezension mit den Worten beginnen: Dieser Roman ist völlig unverständlich, aber so muß Literatur eben sein.

Oder die Gastronomen könnten sagen: Der Stockfisch schmeckt zwar nach in Benzin eingelegte Nylonsocken, aber letztendlich gewinnt doch die Gastronomie, denn die Feine Küche muß eben so ein.
Die Fußballer waren die ersten, die den Begriff das muß eben so sein im Alltag Portugals verbreitet haben. Darin drückt sich eine abgrundtiefe Gleichgültigkeit gegenüber den Dingen des Lebens aus.

Man betritt zum Beispiel ein Geschäft, um einen Plattenspieler zu kaufen, man sucht ein Modell aus und stellt fest, daß der Plattenspieler keine Nadel hat. Man sagt dem Verkäufer: Die Nadel fehlt.
Der Verkäufer antwortet erst mal gar nichts, er untersucht gemächlich den Plattenspieler und überzeugt sich gründlich vom Fehlen der Nadel, und bequemt sich schließlich mit beleidigter Stimme zu den Worten: Nein, nein. Dieser Apparat MUSS SO SEIN.

Die Manie des das muß so sein oder das gehört so ist so weit verbreitet, daß man sich als Kunde häufig genötigt fühlt, Fragen zu stellen. Etwa: Entschuldigen Sie, aber diese Puppe hat nur einen Arm und ein Auge - ist das ein Herstellungsfehler oder muß das so sein ?
Oder: Man hört eine Platte von avantgardistischen portugiesischen Musikern und stutzt. Man nimmt den Verstärker unter die Lupe, denn vielleicht ist darin etwas explodiert, man säubert mit einem Wattestäbchen die Kopfhörer und dann erst fällt es einem wie Schuppen von den Augen: die Musik MUSS SO SEIN.
Vielleicht sollten diese LPs und CDs ein selbstklebendes Etikett tragen mit dem Hinweis: Nein, nein, keine Panik... DAS MUSS SO.

Portugal muß so sein.

Die Welt muß auch so sein.

Sogar das Leben muß so sein.
In diesem berühmtgewordenen Fatalismus entdecken wir die in Portugal typische Haltung, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie einem eben die Hände fallen.
Hoffen wir, daß die portugiesische Nationalelf nicht dasselbe tut, wenn sie auf die Mexikaner trifft, und daß niemand Grund zu der Frage hat: Spielen die extra so schlecht oder muß das so ?

 

Text von Miguel Esteves Cardoso.