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Portugal in 100 Objekten

Cesaria Évora, Musik aus Kapverde

Die Mornas

Die traurige Geschichte der kapverdischen Inseln schlägt sich in der Musik nieder.
In den Mornas von der Insel Boa Vista zum Beispiel, das heißt "Schöne Aussicht", die hat man von da aus auf die endlosen Wellen des Atlantik. Sind diese wehmütigen Lieder ein Erbe der französischen Matrosen, die auf Kapverde Station machten und traurig an die französischen Antillen zurückdachten ?

Oder ist die Morna mit der portugiesischen Modinha verwandt, die im 18.Jahrhundert verbreitet war ? Beide Thesen haben ihre Verfechter. In jedem Fall gehört die kapverdianische Morna zur Familie des Blues, des Rembetiko, des Tango.

Die Liebe, die Einsamkeit und natürlich der Abschied, weil wieder jemand geht, sind Schlüsselthemen dieser Insulaner. Schließlich wurden die Mornas früher bei Beerdigungen gespielt und zum Abschied am Hafen. Zwei oder drei violas, das sind diese Gitarren mit den fünf Doppelsaiten, ein Cavaquinho und eine alten Geige, die man auf Kapverde "Rabeca " nennt, begleiten einen Sänger oder eine Sängerin, die die melancholischen Verse anstimmt, die so sehr dem portugiesischen Fado ähneln.

"Für mich ist die Morna die Folklore der Kapverdischen Inseln," sagt Bana, ein vom Musikbusiness noch zu entdeckender großartiger "alter" Sänger aus Kapverde. "In der Morna kann man einfach alles lesen. Der Kapverdianer selbst steckt in der Morna. Mit der Morna hat der Kapverdianer gelernt, sich auszudrücken: sein Leid, seinen Schmerz, seine Liebe, auch die Liebe zu seinen Eltern, zum Vater, zur Mutter, zu seinen Kindern, die Kapverde verlassen müssen. All dies verursacht dem Kapverdianer Leid und Schmerz. Wir werden schließlich nicht in Kapverde geboren, um unser Land zu verlassen... Der Kapverdianer verläßt Kapverde, weil das Leben ihn dazu zwingt. Aber wir lieben unser Land so sehr, daß wir manchmal einfach dahin zurückkehren, auch wenn wir dort verhungern müssen. Denn woanders, in der Emigration, fühlen wir uns nicht wohl. Dort leben wir nicht wirklich, dort spüren wir gar nicht mehr, daß wir leben."

Ganz anders dagegen sind die Coladeiras, die von Ironie, schwarzem Humor und einem bewegtem Rhythmus leben, zu dem man eng umschlungen, aber trotzdem schnell tanzen kann. Die Coladeira avancierte in den fünfziger Jahren zur Lieblingsmusik bei den Wochenend-Tanzveranstaltungen in Mindelo: gespielt von traditionellen Gruppen mit zwei oder drei Gitarren, einem Cavaquinho, einem Solisten, der entweder Klarinette oder Violine spielt und einer nicht zu mächtigen Perkussion. Oder in der Form des Conjunto, einer modernen Variante der Coladeira-Gruppen, wie es zum Beispiel das in dieser Zeit sehr beliebte "Conjunto de Cabo Verde" war.

"Der Weiße lebt im Herrenhaus
der Mulatte lebt im Laden
der Schwarze lebt in der Hütte
und der Affe lebt auf dem Felsen.

Eines schönen Tages

wird der Affe mit dem faltigen Gesicht

und dem langen Schwanz

den Schwarzen aus der Hütte jagen

der Schwarze jagt den Mulatten aus dem Laden

der Mulatte den Weißen aus dem Herrenhaus

und der Weiße wird auf den Felsen klettern und herunterstürzen."

So heißt es in einem traditionellen Finaçon von der Insel Santiago, der nebenbei die Geschichte der kapverdischen Inseln zusammenfaßt.

Der Finacón ist eigentlich ein Trauergesang, der von einem Instrument mit dem Namen "Cimboa" begleitet wird, und das ist ein geigenähnliches Instrument mit einer Saite. Der Finacón leitet traditionell zum Batuque über, einem ziemlich schnellen Tanz, dessen Rhythmus von Händeklatschen markiert wird. Aus Afrika stammen auch Rhythmen wie Funaná, Kola und Tabanka. Der Funana ist in den Lissaboner Nachtclubs heute sehr populär, obwohl es ein ziemlich anstrengender Tanz ist: man kann sich das ungefähr wie eine im Zeitraffer getanzte Lambada vorstellen..

Ursprünglich ist der Funaná ein Gesang und Tanz, der begleitet wird mit Akkordeon und einem Messer, das über ein Stück Eisen schrabbt. Ende der siebziger Jahre benutzten Bands wie Bulimundo, Catchass, Tubaroes und Finacon den Funana als Herzstück ihrer Bemühungen, eine neue Musik zu schaffen, eine Bewegung politisch bewußter Musiker, die sich selbstbewußt auf die afrikanische Tradition berufen.

Tabanka ist so etwas ähnliches wie der Cabildo aus dem spanischsprachigen Raum: ursprünglich eine Gesellschaft der ehemaligen Sklaven zur gegenseitigen Unterstützung, die aber auch Karnevalcomparsas organisiert. Der Rhytmus Tabanka ähnelt ein bißchen der Conga, es ist ein Straßenrhythmus, gespielt von vielen Trommeln und einigen Trillerpfeifen und Hupen. Einige wichtige Bands aus Kapverde haben sich nach diesen afrikanischen Inselrythmen benannt: Tabanka Jazz zum Beispiel oder die auch in Portugal sehr populäre Band Finacón.

Der europäische Beitrag zur Musik Kapverdes besteht vor allem aus den Tänzen Walzer, Polka und Mazurka, nicht zu vergessen der portugiuesische Fado, diverse Instrumente wie die spanische und die portugiesische Gitarre, das Cavaquinho und die Geige, die vor allem auf den Inseln Fogo, Brava, Santo Antão und São Nicolau lebendig ist. Der Virtuose Travadinha nahm in den siebziger und achtiziger Jahren einige dieser ansonsten fast vergessenen traditionellen Tänze auf.

B.Leza

In den dreißiger Jahren war die Stadt Mindelo auf der Insel Sao Vicente ein literarisches und künstlerisches Zentrum, ein ungemein lebendiger Ort mit literarischen Salons und einer berühmten Literaturzeitschrift: Claridade, Helligkeit, hieß sie. Darin schrieben bis dahin unbekannte kapverdianische Autoren wie Baltasar Lopes, Manuel Lopes und Jorge Barboza, die später zu den Berühmtheiten der Inselliteratur gehören sollten. Mindelo war ein Art kapverdianisches Kulturzentrum - polemisch, sensibel und selbstbewußt - und gleichzeitig durch seinen Hafen ungewöhnlich offen und aufgeschlossen für kulturelle Einflüsse von anderen Inseln und Kontinenten.

In dieser Athmosphäre arbeitete der legendäre Komponist B. Leza, der so etwas wie das Identitätszeichen der Kapverdischen Inseln war. Seinen Namen findet man auf allen Plattencovern sämtlicher Musiker aus Kapverde, bei Cesaria, Bana, Ana Firmino, Os Tubaroes, Finacon und wie sie alle heißen.

"B.Leza" ist nicht nur ein hübsches Pseudonym, das zu deutsch "Schönheit" bedeutet. B.Leza firmiert als Komponist unzähliger Mornas und hieß eigentlich Francisco Xavier da Cruz.

1905 wurde er in São Vicente geboren. Seine Schulzeit war relativ kurz, die Zeit, die er als Postangestellter verbrachte, ebenfalls. Ende der zwanziger Jahre geht er nach Mindelo, damals die Hauptstadt der kapverdianischen Unterhaltungsmusik. Bei den Tanzveranstaltungen sang man damals relativ selten, die Instrumentierung der Orchester bestand vornehmlich aus "Holz und Saiten", wie man die vielfältigen Gitarrenarten und die Rabecas bezeichnete.

Auch B.Leza lernte, Gitarre zu spielen, doch vor allem komponierte und dichtete er Mornas. Unzählige, um die fünfhundert müssen es insgesamt sein. 1933 nimmt ihn ein befreundeter Kapitän mit in die Vereinigten Staaten, B.Leza überquert zum ersten Mal den Atlantik und schreibt unter diesem Eindruck eine berühmte Morna: "Antwort auf das Geheimnis des Meeres," "Resposta de Segredo do Mar".

1940 kann er zum ersten Mal ein eigenes Orchester bilden, und sie reisen zusammen nach Lissabon, um am 200. Jahrestag des portugiesischen Kolonialreiches teilzunehmen, das der Diktator Salazar veranstaltete. Doch seine Musiker müssen ohne B.Leza auf die Kapverdischen Inseln zurückkehren: B.Leza war längst krank und mußte in das portugiesische Kolonialhospital eingeliefert werden, wo er die nächsten Jahre verbringt. Unermüdlich schreibt er auch dort weiter seine Mornas, zum Beispiel die berühmte über die "Heiligen Wellen des Tejo" - laßt mich Euch umarmen, nehmt mich mit aufs Meer, damit es mich auf meine Inseln zurückbringen kann.

Die Jahre des erzwungenen Exils in Lissabon, seine Krankheit, bewirken eine Veränderung in seinen Kompositionen: sie werden philosophischer und drücken deutlich das Heimweh aus, das er empfindet. "Das Meer wird zu Tinte und der Himmel zu Papier - und doch kann ich Dir nicht schreiben," notiert er noch in Lissabon. Im Rollstuhl kehrt er auf die Kapverdischen Inseln zurück. 1958 stirbt B.Leza.

Die beste Interpretin seiner Mornas ist natürlich Cesaria Evora. Sie hat in den letzten Jahren ausverkaufte und umjubelte Konzerte in Europa gegeben und wurde allgemein als großartige Entdeckung der World Music gefeiert.

Roman von Manuel Ferreira über Kap Verde

Der portugiesische Autor Manuel Ferreira hat einen großen Teil seines Lebens auf den Kapverdischen Inseln zugebracht. Seine Erfahrungen dort schrieb er in dem Roman "Hora di bai" nieder. Der Roman spielt 1943 auf den Kapverdischen Inseln und erzählt von einer Gruppe von Auswanderern, die von São Nicolau losfahren und ihr Glück auf einer anderen Insel versuchen.

"Sie kamen aus dem Innern der Insel an die Küste, in der Hoffnung, dort etwas Maniok zu finden oder eine dünne Fischsuppe, ein Stück Zuckerrohr zum Kauen, oder wenigstens grüne Blätter - irgendetwas, das ihnen die Illusion gab, zu essen. Aber in der Dörfern an der Küste hatten die Stürme des Elends alles mit sich genommen, was man einmal besessen hatte. Auch die Armensuppe zu Mittag konnte nicht verhindern, daß im Morgengrauen ein Karren durch die Straßen fuhr und diejenigen einsammelte, die die Nacht nicht überlebt hatten. Die Armensuppe half nicht, denn es gab zehntausende von hungrigen Mündern.

Von einer Landspitze zur anderen ging ein Alptraum durch die Dörfer und Hütten: gelbes Land, trocken und nackt, wie verbrannt. Wo waren die grünen Bananenstauden geblieben, die man in großen Bögen an die Häuser gehängt hatte ? Und wo die Papayas, und die Süßkartoffeln und die Bohnen, und der Maniok, der Nam, der Mais, den Menschen und Tiere stärkte ? Kräuter, Schößlinge, Wurzeln - alles verschlungen von Dürre und Hitze.

Im Innern der Insel gehören die wenigen intakten Häuser den Reichen und Wohlhabenden, und selbst die Familien sind heruntergekommen. So viele Häuser ohne Fenster, ohne Dach, ohne Türen - verlassen, verfallen, dem Wind ausgesetzt.

Ein Fluch liegt über der Insel. Der Fluch der Dürre, des Hungers.

Die Überlebenden dieser zyklonischen Wut - wer waren sie ? Reste des absurden Lebens, die im unbarmherzigen Kampf ums Überleben verbogen werden. In diesen Hungerzeiten erschien die Nachbarinsel Sao Vicente wie ein rettender Hafen..."

"Das Segelschiff schaukelte auf den Wellen. Wer es aus großer Entfernung sah, hätte es mit seinen weißen Segeln und seinem blauen Anstrich für ein Ausflugschiff gehalten. Für die Überlebenden der Dürre jedoch war es die Verlängerung ihres Schmerzes, der sich nun in dem wütenden, gischtsprühenden Meer brach. Und als eine mächtige Welle das Schiff von Steuerbord nach Backbord schaukeln ließ, nutzte es auch nichts, daß der Matrose Chico Afonso einen Witz machte: so verzweifelt waren die Menschen auf dem Schiff.

"Ah, Leute, das Meer redet mit Euch ! Das ist die Sprache des Meeres. Eigentlich das Meer wie gute Menschen. Es spricht, es weint, es tanzt. Das Meer tanzt Samba he ! Den Samba 'das Leben, die Liebe, nichts als Illusion', la la ra la la. Gefällt Euch der Samba nicht ? Ihr mögt lieber Mornas ? Aber ja, mein Herr. Chico wird jetzt eine kleine Morna für Euch singen. Die Morna weiß alles.."

Der Matrose nahm die Gitarre und begann zu spielen. Er sah aufs Meer, als wollte er aus den Wellen eine Morna fischen.."

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